Von der Nacht des 14. Juli bis zum Freitag, den 16. Juli, hat das durch Starkregen verursachte Hochwasser nicht nur das Gesicht unseres Landes verändert. Diese große Katastrophe hat mit brachialer Naturgewalt das Leben hunderttausender Menschen verändert.
Sie hat den Tod von 48 Menschen, von Helfern und denjenigen, die auf Hilfe gehofft haben, verursacht, deren Angehörigen ich im Namen der CDU-Fraktion und auch persönlich unser tief empfundenes Mitgefühl ausspreche.
Diese Jahrhundert-Katastrophe brachte und bringt immer noch für diejenigen, die vor dem Wasser fliehen konnten, und für die, die ihr Hab und Gut verloren haben, unendliches Leid mit sich. Das Haus oder die Wohnung zu verlieren, die Sicherheit des Privaten, den Schutz und Rückzugsort der Familie - das ist eine der schlimmsten Erfahrungen, die man machen kann.
Die Bilder und Gespräche der Menschen, die von Zerstörung und Verlust ihres Zuhauses und ihrer Heimat schwer gezeichnet sind, erinnerten mich an meine Eltern und Großeltern, als vor mehr als 50 Jahren mein Elternhaus und die dazugehörenden Hofgebäude in der Nacht, teils bis auf die Grundmauern, niedergebrannten. Am Morgen danach waren ihre Gesichter von Fassungslosigkeit und der Wut über die eigene Hilflosigkeit ebenso geprägt, wie von der Dankbarkeit, dass wir alle überlebt hatten, für das Eingreifen der Feuerwehr und für die unfassbare Hilfsbereitschaft der Nachbarn.
Ich bin daher in den vergangen Tagen, wie so manche, die eine ähnliche Erfahrung wie meine Familie machen mussten, in Gedanken nahe bei all denjenigen gewesen, die nun heute vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.
Wir sind aber nicht nur von einer Welle der Vernichtung getroffen worden, sondern auch durch eine nie da gewesene Hilfsbereitschaft zusammengewachsen. Aus allen Teilen unseres Landes sind Freiwillige, ob jung oder alt, in die betroffenen Regionen geeilt, fragten nicht lange und packten mit an. Gemeinsam mit Feuerwehren, Rettungskräften, Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Technischem Hilfswerk, Notfallseelsorgern und vielen hilfsbereiten Landwirten haben sie ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer großen Not unterstützt.
Für diese enorme Anstrengung bedanke ich mich bei allen Helferinnen und Helfern, die, ohne zu fragen, dazu beigetragen haben, Schlimmeres zu verhindern. Denn es hätte fraglos ohne ihren selbstlosen Einsatz mancherorts noch schlimmer kommen können.
Neben dieser großen Zahl von Helferinnen und Helfern vor Ort, möchte ich mich auch bei all denjenigen bedanken, die ihre Solidarität durch Spenden gezeigt haben und weiterhin zeigen.
Wir dürfen mit Dankbarkeit auf diese besondere Zeit schauen, in der die Menschen unseres Landes verbunden durch selbstlosen Einsatz zusammenstehen.
Sieben Tage nach der Katastrophe konnte mit Veröffentlichung des entsprechenden Erlasses durch den Innenminister die gemeinsame Soforthilfe von Bund und Land ausgezahlt werden. Hilfe für die Menschen, Hilfe für gewerbliche Wirtschaft und freie Berufe, Hilfe für Landwirte und land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Hilfe für Kommunen. Nordrhein-Westfalen hat dazu 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die der Bund verdoppeln will. Stand 4. August waren davon bereits 221 Millionen an Privatleute, Unternehmen, Land- und Forstwirte sowie Kommunen ausgezahlt. Das Wichtige, der eigentliche Wert dieser Soforthilfe und der Solidarität durch Hilfe vor Ort und durch Spenden, ist doch der Mut, der zugesprochen wird und die emotionale Zuwendung, dass es nach den Aufräumarbeiten weitergeht, dass jetzt der Wiederaufbau beginnt!
Für diese Aufbauarbeit stellen der Bund und die Bundesländer die notwendigen Geldmittel zur Verfügung. Ich vertraue daher den Zusagen der Bundesregierung, die der Bundesfinanzminister so formuliert hat: „Was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen.“
Darüber hinaus fordere ich den Deutschen Bundestag auf, keine Zeit verstreichen zu lassen um den Wiederaufbaufonds gesetzlich zu verankern. Und, wir sagen schon jetzt Danke an die nicht betroffenen Bundesländer, die ihre Unterstützung durch gemeinsames Tragen der Hälfte der Gesamtlasten übernehmen wollen.
Die Soforthilfe ist nur ein erster, zwar wichtiger, aber in der Wirkung zeitlich eng begrenzter Schritt. Gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten Armin Laschet und der Landesregierung arbeiten wir daran, nun den möglichst nahtlosen und bruchfreien Übergang zum Wiederaufbau, zur schnellstmöglichen Reparatur und Instandsetzung zu gewährleisten. Die Menschen, die Unternehmen und die Kommunen brauchen jetzt eine belastbare Perspektive. Die Verlässlichkeit und die Schnelligkeit, mit der diese Landesregierung die Soforthilfe angepackt und umgesetzt hat, wird es auch beim Wiederaufbau geben!
Die Dimension der Schäden und ihrer Bewältigung gewaltig. 176 Städte und Gemeinden sind betroffen.
Geschäftsleute stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, Unternehmen mussten die Produktion einstellen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bangen um ihren Arbeitsplatz, Landwirte fragen sich, ob und wo sie weitermachen können
Nicht nur regionale Lieferketten wurden jäh unterbrochen. Die Naturgewalt hat kommunale Infrastruktur weggerissen. Von Rathäusern über Schulen und Kitas, bis hin zu Straßen, Brücken, Autobahnen und Schienenstrecken im Nah- und Fernverkehr. Strom-, Wasser-, Abwasser- und Kommunikationsnetze und -strukturen sind massiv beschädigt.
In kürzest möglicher Zeit haben die Ministerinnen und Minister der Landesregierung gemeinsam mit Kommunen und Versicherungen eine bereits konkrete und belastbare Schadensabschätzung vorgenommen. Damit ist die vielleicht wichtigste Grundlage für die Gespräche mit dem Bund über die notwendige Verwaltungsvereinbarung geschaffen. Und vielleicht ebenso wichtig ist es, dass parallel dazu schon die Förderrichtlinie des Landes erarbeitet wird.
Aber, Geld allein baut kein Haus, keine Schule, keinen Kindergarten und kein Krankenhaus wieder auf.
Und die bereitgestellten Gelder alleine nützen den Betroffenen nichts, wenn daraus nicht schnell, wirksam und erkennbar Verlorenes wieder erneuert und Beschädigtes in Stand gesetzt werden kann.
Würden die gesetzlichen Vorgaben, würde der bürokratische Aufwand, so bleiben wie sie sind, würde der Handlungsspielraum für den Wiederaufbau auf kommunaler wie auf Landesebene durch die gesetzlichen Personal-, Sach- und Verfahrensstandards bestimmt. Es würde einfach zu lange dauern. Akzeptanz von Maßnahmen und Vertrauen in staatliches Handeln würden schwinden.
Wenn für die Opfer der Flut nichts mehr so ist, wie es war, dürfen meines Erachtens auch Politik und Verwaltung nicht so weitermachen wie bisher. Es braucht jetzt einen echten Aufbruch. Es braucht den Mut zum Verzicht auf Bürokratie wo immer möglich und rechtlich haltbar, statt „Business as usual“.
Wir, die CDU-Fraktion, stehen bereit für diesen Neustart, auch durch notwendige gesetzliche Änderungen zur Anwendung in den Hochwasserregionen.
Denn, es ist weder den Menschen, noch den Geschäftsleuten und Unternehmen, weder den Landwirten noch den Kommunen zuzumuten, dass staatliche Hilfen, Kredite oder Versicherungsleistungen nur schleppend oder nach komplizierten und für sie unverständlichen Regelungen gewährt werden.
Für die CDU-Landtagsfraktion möchte ich Ihnen daher unsere Gedanken dazu in 10 Punkten vorstellen.
Erstens: Alle Genehmigungs- und Planungsverfahren, die den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe verzögern könnten, müssen auf ihre Verzögerungswirkung beim Wiederaufbau hin überprüft werden.
Sofern es sich um bundes- oder europarechtliche Regelungen handelt, brauchen wir Möglichkeiten, davon in der betroffenen Regionen abzuweichen. Entsprechende Initiativen müssen auf den jeweiligen Ebenen jetzt initiiert, formuliert und umsetzungsreif gemacht werden. Dazu zählen insbesondere auch Erleichterungen bei der Vergabe, die die Landesregierung bereits auf den Weg gebracht hat.
Darüber hinaus sollte der Landtag Nordrhein-Westfalen so schnell als möglich über Regelungen zur Beschleunigung des Wiederaufbaus beraten. Eine Experimentierklausel, die Kommunen und Land eine von Standards abweichende Aufgabenerledigung und Auftragsvergabe ermöglicht sollte in Erwägung gezogen werden..
Zweitens: Für temporäre Ersatzbauten, also Bauten in Container-, Modul-, Systembauweise oder von mir aus im 3D-Druck braucht es schnelle und schlanke Entscheidungswege. Wir plädieren dafür, dass die abschließende Entscheidung, welche Planungs- oder Baumaßnahme wie zu ergreifen ist, grundsätzlich in den Räten und Kreistagen vor Ort gefällt werden kann.
Drittens: Die Instandsetzung und – falls notwendig – der Neubau unabdingbar notwendiger Infrastruktur muss Priorität haben. Medizinische Versorgung, Strom, Trinkwasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Heizung und funktionierende Telekommunikation sind lebensnotwendig und als erstes anzupacken. Darüber hinaus bedarf es einer koordinierten Prioritätenliste, in welcher Reihenfolge die Instandsetzung bzw. der Neubau von Schulen, Kindergärten, Feuerwehrhäusern, Verwaltungsgebäuden, Straßen, Brücken und Schienensträngen vor Ort primär zu reparieren bzw. neu zu errichten sind. Als wichtige Voraussetzung dafür hat die Umweltministerin eine Koordinierungsstelle Abfallentsorgung eingerichtet.
Viertens: Die Bereitstellung von Wohnraum für die, deren Wohnungen und Häuser auf Dauer nicht mehr bewohnbar sein werden, hat Vorrang. Wo notwendig, sind geeignete ortsnahe Winterquartiere zu errichten. Dabei kann der Wiederaufbau von Wohnraum nicht warten, bis Schadensansprüche von Versicherungen abschließend geprüft wurden.
Fünftens: Wirtschaftsunternehmen, die für die Wertschöpfung vor Ort besonders relevant sind, muss zuerst geholfen werden. Die Existenz von Betrieben, die vor der Katastrophe wirtschaftlich gesund waren, muss durch angemessene finanzielle Unterstützung gesichert werden. Mit Auszahlung der schnellen Soforthilfe und dem Aussetzen der Insolvenzrichtlinie können die ersten Tage überbrückt werden. Als nächstes müssen Möglichkeiten zur Entlastung der Betriebe von laufenden Kosten und, für diejenigen, die keinen Geschäftsbetrieb oder keine Produktion mehr haben, alle Instrumente der Kurzarbeit genutzt werden.
Aus den Elementen Soforthilfe, Entlastung, Eigenkapitalzuführung und neuem, zinsgünstigem Kredit lassen sich Finanzierungskonzepte für den Weiterbetrieb entwickeln, die dazu führen, dass kein Betrieb eine höhere Belastung hat als vor der Katastrophe.
Sechstens: Das Land muss die Betroffenen finanziell unterstützen, die keinen ausreichenden Versicherungsschutz haben. Wir werden uns dafür an der Regulierung der Flutschäden 2002 und 2012 orientieren. Es ist außerordentlich hilfreich, dass die Landesregierung bereits am 16. Juli die 30 steuerlichen Unterstützungsmaßnahmen aus dem Katastrophenerlass in Kraft gesetzt hat und den Erlass am 23. Juli auf Drängen NRWs auf 50 Maßnahmen erweitert hat, um Betroffene sowie Helferinnen und Helfer wirksam zu entlasten.
Siebtens: Die Regulierung von Schäden durch Versicherungen wird Zeit in Anspruch nehmen. Hier braucht es aus unserer Sicht den Zugang zu zinsfreien Krediten als Vorleistung, die mit Versicherungssummen verrechnet werden.
Achtens: Die Förderbanken des Bundes und des Landes müssen Kredite für geschädigte Privatpersonen wie für Unternehmen unbürokratisch, zinsgünstig und mit möglichst hoher Haftungsfreistellung vergeben. Es ist gut, dass KfW und NRW.Bank für geschädigte Privatleute, Kommunen und Unternehmen bereits erste günstige Finanzierungsmöglichkeiten an die Hand gegeben haben.
Neuntens: Mit der nationalen Aufgabe des Wiederaufbaus muss eine nationale Anstrengung unserer Industrie einhergehen, die benötigten Materialien und Rohstoffe, insbesondere Bauholz, Stahl, Bitumen und Kunststoffgranulat zur Herstellung von Rohren, verfügbar zu machen, die derzeit vielerorts teure Mangelware sind. Aber, ich bin der Landesregierung und insbesondere dem Ministerpräsidenten dankbar, dass bereits auf allen Ebenen mit den Spitzenverbänden des Handwerks und der Industrie nicht nur darüber, sondern auch über die Möglichkeit des Einsatzes von Fachkräften aus anderen Bundesländern laufen.
Zehntens: Wir unterstützen die Prüfung einer gesetzlichen Vorgabe, dass Eigentümer von Immobilien eine Elementarschadenversicherung abschließen müssen.
Bei allen Maßnahmen, die Finanzmittel benötigen, ist eines besonders wichtig: Die Klarheit, die der Finanzminister geschaffen hat, dass analog zu den Regelungen aus 2013, ein Maßnahmebegrinn vor Antragstellung, also der vorzeitige Maßnahmebeginn, einer späteren Förderung nicht im Wege steht.
Es ist verständlich, richtig und notwendig, dass Antworten auf die Fragen nach den Ursachen und nach Fehlern im System des Katastrophenschutzes eingefordert werden. Staatsanwaltschaften ermitteln und der Landtag wird sich mit diesen Ergebnissen und der Expertise vieler Fachleute in den Ausschüssen und Plenarsitzungen der kommenden Wochen damit befassen und Antworten geben.
Der damalige Bundespräsident Johannes Rau hat das in einer Rede am 18. August 2002, nach der Flutkatastrophe an der Elbe, so ausgedrückt: „Es ist sicher falsch, jetzt bestimmte Ursachen oder gar Schuldige für die Flutwelle benennen zu wollen. Wetter und Klima sind auch in früheren Jahrhunderten schwere Bedrohungen für die Menschen gewesen, und es hat schlimme Katastrophen gegeben. Wir müssen aber prüfen, welchen Anteil wir Menschen daran haben, dass es jetzt so schlimm kommen konnte. Was durch Menschen in den vergangenen Jahrzehnten verursacht worden ist, müssen wir durch entschlossenes politisches Handeln ändern.“
In der Bewertung dieses politischen Handels allerdings, ist es schon auffällig, wer welche Unterschiede macht. In Rheinland-Pfalz ist das Hochwasser eine Naturkatastrophe, in Nordrhein-Westfalen ist es eine vom Ministerpräsidenten zu verantwortende Katastrophe.
Wir haben uns angewöhnt, Persönlichkeit nach Momenten und Charakter nach Sekundenschnipseln zu beurteilen. Aber ganz gleich, ob das in den sogenannten „Sozialen“ Netzwerken oder in unseren Medien geschieht: demjenigen, der so beurteilt wird, wird es niemals auch nur im Geringsten gerecht. Es ist offensichtlich „en Vogue“, Menschen auf einen Augenblick zu reduzieren. Da werden die Schuhe, die man trägt, für Meldungen wichtiger sind als das, was man sagt. Da ist die Position von Regenschirmen in einem Gespräch wichtiger ist, als das, was besprochen wurde.
Weil diese Pseudo-Prioritäten mit einem geradezu missionarischen Eifer aufgeblasen werden, geht der Blick für das wirklich wichtige verloren: Jetzt stehen die Bedürfnisse, die Sorgen, die Not und die Angst der vom Hochwasser Betroffenen im Mittelpunkt!
Daher danke ich demjenigen, der mit dieser Unterrichtung heute Morgen genau dafür gesorgt hat.
Danke, Armin Laschet!
In die Amtszeit von John F. Kennedy fielen viele Krisen. Nicht zuletzt der Bau der Berliner Mauer, deren Bau vor 60 Jahren wir in dieser Woche gedenken und die Kubakrise. Er kannte sich aus mit Krisen. Und daher ist es kein Zufall, dass er einmal gesagt hat: „Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus 2 Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit.“
Die aktuelle Gefahr ist gebannt. Wir nutzen die Gelegenheit und packen an.
Der Wiederaufbau startet. Jetzt!